Samstag, 7. Oktober 2017

Unsere verlorenen Herzen // Krystal Sutherland




Unsere verlorenen Herzen

erschienen am 25.09.2017 - cbt - 14,99€ - 384 Seiten - ISBN: 978-3-5701-6497-6 - übersetzt von Petra Koob-Pawis

Inhalt

Der 17-jährige Henry war noch nie verliebt. Kein Herzklopfen, keine Schlaflosigkeit, keine großen Gefühle. Bis seine neue Mitschülerin Grace vor ihm steht: in schlabbrige Jungsklamotten gehüllt, mit einem kaputten Bein und einer kaputten Seele. Ihre Zerbrechlichkeit macht sie in Henrys Augen nur noch schöner. 
Aber Grace lässt Henry kaum an sich heran – bis sie ihn eines Tages völlig unvermittelt küsst. Henry wagt es, zu hoffen. Doch irgendein ungreifbares Geheimnis scheint zwischen ihnen zu stehen ...  


Meine Meinung

"Unsere verlorenen Herzen" wurde mir freundlicherweise vom cbt-Verlag und dem Bloggerportal als Rezensionsexemplar zugeschickt. 


Der Schreibstil des Buches ist sehr gelungen, ebenso die Übersetzung. Ich habe das Buch auf deutsch gelesen, aber auch in das englische Original hineingelesen, um beides vergleichen zu können, und war sehr begeistert davon, wie gut die Leichtigkeit des Schreibstils der Autorin auch in der Übersetzung bewahrt wurde. Abgesehen davon, dass sich "Unsere verlorenen Herzen" sehr leicht und flüssig lesen ließ, waren auch Chatverläufe, listenartige Aufzählungen und andere kleine Extras eingebaut, was mir gut gefallen hat.
Das erste Kapitel hatte mich schon absolut in den Bann gezogen und ich wollte unbedingt weiterlesen; somit war es der ideale Einstieg für das Buch und hätte nicht besser gemacht werden können. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich den Roman in einem Rutsch durchgelesen.

Ein großes Plus waren in meinen Augen die Nebencharaktere, die sehr detailliert beschrieben und ausgebaut wurden, jeder hatte eine eigene Geschichte und entwickelte sich auch im Lauf der Geschichte selbst weiter. Besonders die sehr realistische Darstellung von Freundschaft, in der nicht immer alles perfekt und einwandfrei läuft, sondern wo man sich auch mal streitet, einander nicht versteht und unterschiedlicher Meinung ist, fand ich absolut gelungen.  
Auch die Darstellung der heutigen Jugendkultur konnte mich total überzeugen - die Charaktere nehmen sich und ihre Marotten selbst, aber auch gegenseitig auf die Schippe. Alle möglichen "Klischees" wurden mehr oder weniger aufgegriffen - die Social Media-Prinzessin, Hipster, Nerds und die, die in kein bestimmtes Raster fallen. Dennoch wurde das nicht ins Lächerliche gezogen oder verspottet, besonders auch, weil eben wirklich alles vertreten war. 
Es gab einige witzige Konversationen, Anspielungen auf die Popkultur (Serien, Musik, Filme, Bücher) und viele Stellen, an denen ich schmunzeln musste. Besonders Henrys Eltern waren oft für solche Szenen verantwortlich, aber auch seine Freunde, Lola und Murray. Auch seine Schwester Sadie fand ich echt toll, sie spielte eine große Rolle innnerhalb der Geschichte, ebenso wie die Beziehung seiner Eltern. Es zeigte deutlich, wie viel gerade junge Menschen von zuhause mitnehmen, wie sehr wir alle von unserem Umfeld - den Eltern, den Freunden etc. - beeinflusst werden, was unsere Vorstellungen und Einstellung zu vielen Dingen angeht. Dass der Fokus nicht nur auf Henry und Grace lag, war eine gute Abwechslung zu vielen anderen Jugendbüchern. 
Zudem waren alle Beziehungen sehr realistisch - sie wurden nicht in übertrieben perfekte Formen gequetscht. Da gab es einen Partner, der Vorstellungen hatte, die so nicht ganz der Realität entsprachen, Missverständnisse und die Erkenntnis, dass man sich den Teil, den man an einer Person mag, nun mal nicht gesondert rauspicken kann, sondern dass man den Anderen so nehmen muss, wie er ist, mit allen Ecken und Kanten. 

Henry als Protagonist habe ich absolut geliebt. Er war teilweise etwas irrational, hat Dinge gemacht, die ich nicht ganz verstanden habe, was ihn mir aber umso näher gebracht hat. Er hatte seine Fehler; er hat Dinge absichtlich ignoriert und an seinen eigenen Ideen und Vorstellungen festgehalten. Aber er war auch wahnsinnig lieb und aufopferungsbereit. Als Charakter hat er innerhalb der Geschichte eine nicht unwesentliche Veränderung durchgemacht und es war schön, diese mitzuverfolgen.
Obwohl ich immer wieder den Kopf über Henry schütteln musste, habe ich das Buch und ihn als Protagonisten absolut geliebt, denn ganz ehrlich - wer trifft denn nicht manchmal Entscheidungen, über die Andere sich denken: "Was zur Hölle hast du dir dabei nur gedacht?!"

Auch Grace hat natürlich eine sehr große Rolle gespielt und mir gut gefallen. Sie war ein sehr undurchsichtiger Charakter, der Henry und auch dem Leser lange Zeit - eigentlich das ganze Buch hindurch - ein echtes Rätsel blieb. Ich möchte nicht zu viel verraten, da ein großer Teil der Geschichte darin besteht, sie näher kennenzulernen, aber sie hat mich wirklich begeistert.

Ich habe das Ende absolut geliebt, auch wenn es ein wenig gedauert hatte, es zu verdauen. Im Nachhinein hätte ich mir keinen besseren Abschluss vorstellen können; es war die einzig richtige Möglichkeit, der Geschichte und ihren Personen gerecht zu werden.

Zuletzt möchte ich noch sagen, wie sehr ich dieses Cover und auch den Titel liebe. Sowohl die Originalversion ("Our chemical hearts"), als auch die deutsche Übersetzung ("Unsere verlorenen Herzen") passen wunderbar zum Inhalt des Buches, ebenso die Cover. Dennoch ist das deutsche Coverdesign mein Favorit  - auf den ersten Blick sieht es vielleicht ein wenig kitschig aus, aber wenn man das Buch gelesen hat, versteht man erst die Bedeutung, die dahinter steckt und ab da fand ich es einfach nur noch großartig. Wirklich ein großes Lob an den Verlag, ich bin absolut begeistert davon!


Insgesamt war das Buch sehr bittersüß. Es war genau die richtige Mischung zwischen Fiktion und Realität, zwischen Witz, Charme und Schwermut. Einerseits handelt es sich um eine rein fiktive Geschichte, die andererseits sehr realistisch erzählt war. Auf der einen Seite hat das Buch mein Herz zerrissen, aber gleichzeitig auch wieder zusammengesetzt. Ich konnte mich richtig in Henry hineinversetzen und habe vor Allem am Ende so mit ihm mitgefühlt. 
Meiner Meinung nach ist das ein Jugendbuch, das jeder, der das Genre mag, lesen sollte. Es hat mich nicht nur mit seinen tiefgründigen Aspekten zum Nachdenken gebracht, sondern enthält zudem eine der realistischsten Darstellungen der ersten Liebe und Beziehungen im Allgemeinen. Auch die Einzigartigkeit der Charaktere und deren Geschichte macht "Unsere verlorenen Herzen" zu einem der besten Jugendbücher, die ich je gelesen habe, und zu einer absoluten Leseempfehlung. 
"Unsere verlorenen Herzen" war ein großartiges Debüt und ich kann es kaum erwarten, noch mehr Bücher von Krystal Sutherland zu lesen.