Mittwoch, 20. Dezember 2017

Das Lied der Krähen // Leigh Bardugo



Das Lied der Krähen (Glory or Grave #1)

erschienen am 02.10.2017 - Knaur HC - 16,99€ - 592 Seiten - ISBN: 978-3-4266-5443-9 - übersetzt von Michelle Gyo

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Inhalt

Ketterdam – pulsierende Hafenstadt, Handelsmetropole, Tummelplatz zwielichtiger Gestalten: Hier hat sich Kaz Brekker zur gerissenen und skrupellosen rechten Hand eines Bandenchefs hochgearbeitet. Als er eines Tages ein Jobangebot erhält, das ihm unermesslichen Reichtum bescheren würde, weiß Kaz zwei Dinge: Erstens wird dieses Geld den Tod seines Bruders rächen. Zweitens kann er den Job unmöglich allein erledigen … 
 Mit fünf Gefährten, die höchst unterschiedliche Motive antreiben, macht Kaz sich auf in den Norden, um einen gefährlichen Magier aus dem bestgesicherten Gefängnis der Welt zu befreien. Die sechs Krähen sind professionell, clever, und Kaz fühlt sich jeder Herausforderung gewachsen – außer in Gegenwart der schönen Inej …  


Meine Meinung

"Das Lied der Krähen" wurde mir freundlicherweise vom Knaur-Verlag als Rezensionsexemplar zugeschickt. 

Ich weiß wirklich nicht, was ich zu diesem Buch sagen soll, außer: Jahreshighlight. Ich liebe es. Leute, lest es! 
Spaß bei Seite, natürlich habe ich eine etwas ausgefeiltere Meinung zu diesem absoluten Juwel unter den Fantasybüchern, aber gleichzeitig möchte ich nicht nur in Lobeshymnen ausbrechen und vor Allem nicht zu viel verraten. 


Nachdem ich von Leigh Bardugo bisher nur den Auftakt der Grischa-Trilogie gelesen hatte, der mir nicht so gut gefallen hatte, war ich etwas besorgt, ob sie mich mit dem ersten Teil ihrer neuen Dilogie überzeugen kann. Die Antwort darauf lautet: absolut. 
Die Übersetzung gefällt mir unglaublich gut, wesentlich besser als die der "Grischa"-Trilogie, wobei ich nicht abschließen beurteilen kann, ob es an der Übersetzung oder dem Schreibstil der Autorin an sich liegt. Das Buch ließ sich jedenfalls so gut lesen, flüssig und angenehm und ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Gleichzeitig hat die Erzählweise es auch geschafft, die finstere, geheimnisvolle, magische Atmosphäre, die sich durch das ganze Buch zieht, sehr eindringlich zu vermitteln. Die Autorin verwendet auch Metaphern, um Dinge besser auszudrücken und verleiht dem Ganzen damit auch einen lyrischen Einschlag.
Auch die Aufmachung überzeugt mich total. Der schwarze Buchschnitt und das Cover spiegeln die Düsternis, die in diesem Buch herrscht, so gut wieder und die Gestaltung der Kapitelüberschriften sind tolle kleine Hingucker innerhalb des Buches. 
Schon nach wenigen Kapiteln war ich so involviert in die Geschichte, weil ich wissen wollte, was hinter jedem einzelnen Charakter steckt, viel mehr, als mich die Handlung an sich zunächst in ihren Bann gezogen hat. 
Aber auch das hat sich schnell geändert. "Das Lied der Krähen" ist temporeich und brutal, spannend und voller Wendungen. Ehe man sich versieht, kommt schon wieder der nächste Überraschungsmoment und es war nie langweilig, nie zäh oder öde. 

Mich hat nicht nur interessiert, was noch passieren würde, sondern auch, was bereits passiert ist, was ein weiteres Highlight, da es mehrere Rückblenden gab, die den Lesern die Vergangenheit näher gebracht haben. 



Konzentrieren wir uns dann noch auf den Aspekt, der mir am Besten gefallen hat: die Charaktere. 
In "Das Lied der Krähen" geht es um sechs verschiedene Charaktere und jeder bekommt hier die Chance, seine eigene Geschichte zu erzählen. Die vielen wechselnden Perspektiven, die ich eigentlich nicht so gerne mag, habe ich hier geliebt. Sie haben so viel dazu beigetragen, das Buch möglichst vielschichtig zu machen, da man als Leser alles auf so vielen Arten betrachtet hat. Jeder Charakter hat eine eigene Vergangenheit und eine eigene Weltansicht und ich wollte immer mehr über jeden Einzelnen lesen und lernen. 
Bei jedem Einzelnen handelt es sich um einen Verbrecher, Schurken, Ausgestoßene, die nicht den typischen Helden entsprechen, um die sich Bücher so oft drehen, sondern eher den Antagonisten - und ja, diese Tatsache hat das Buch umso besser gemacht. Dadurch, dass die Charaktere weit davon entfernt sind, perfekt zu sein, habe ich sie umso mehr ins Herz geschlossen. Sie alle waren so erfrischend anders, so faszinierend und einzigartig. 
Besonders Kaz ist mein absoluter Liebling. Er ist vielschichtig, kompliziert und verworren, ja sogar grausam teilweise. Skrupellos. Kaz hat so viele schlechte Seiten, aber ich wollte unbedingt wissen, was ihn antreibt, was seine Beweggründe sind. Er ist wohl der finsterste, aber gleichzeitig auch faszinierendste Charakter, über den ich je gelesen habe, und ich will nichts mehr, als mehr über ihn zu lesen und mehr mit ihm als Protagonisten zu erleben. 

Ich hasse und liebe es gleichzeitig, dass jeder Charakter seine eigenen Ziele verfolgt hat. Einerseits bringt es so viele verschiedene Aspekte in die Geschichte und macht sie sehr spannend, es ergeben sich großartige Möglichkeiten, wie sich der Plot des Buches weiterentwickeln kann. Andererseits will ich nur, dass meine Lieblinge alle zusammenwachsen und aufhören, auch gegeneinander zu arbeiten. 
Aber ich liebe, wie die Charaktere sind. Ich liebe es, dass sie so egoistisch sind und sich nicht unbedingt darum scheren, was das Beste für die Gruppe und die Anderen ist. Die Entwicklung, die die Krähen im Laufe der Geschichte durchmachen, ist eines der besten Dinge ever. Sie haben alle so viele Facetten; hinter jedem Charakter steckt eine eigene Geschichte, wieso sie sind, wie sie sind und es war toll, mehr über ihre Hintergründe zu erfahren. 
Die Diversität der Charaktere ist auch echt beeindruckend - sei es jetzt Religion betreffend oder die Verbundenheit zu Heimat und Tradition oder auch die ethnische Herkunft, aber auch, ob jemand aus einer reichen oder einer armen Familie abstammt. Leigh Bardugo hat so ziemlich alles eingebaut - körperliche Behinderung, verschiedene kulturelle Hintergründe, religiöse Charaktere. Und damit haben sich nicht nur ihre Charaktere und ihr Buch einen Platz auf der Liste meiner Lieblinge gesichert, sondern auch die Autorin.

Abschließend kann ich sagen: dieses Buch ist absolut genial. Es wurde gegen Ende noch rasanter, noch spannender, noch interessanter, noch actionreicher, noch verworrener und dieser Twist zum Schluss - oh mein Gott, damit hätte ich niemals gerechnet. 
Ich war so involviert in die Geschichte, sie beschäftigt mich auch noch Wochen, nachdem ich das Buch beendet habe (und ja, es hat echt lange gedauert, bis ich meine Gefühle für dieses Buch  in vernünftige Worte fassen konnte und selbst jetzt wird das Wort "liebe" sehr inflationär verwendet). 
Für mich ist "Das Lied der Krähen" das Fantasybuch des Jahres und ich denke, für Fantasyliebhaber führt kein Weg an diesem Buch vorbei. Eine absolute Leseempfehlung.